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Ein neuer Raubwels vom Rio Tocantins, Tocantinsia depressa MEES, 1974

 Text und Bilder Kai Arendt

Als Mees im Jahre 1974 die neue Welsgattung Tocantinsia (Fam. Auchenipteridae) aufstellte und mit T. depressa die einzige Art der bis heute monotypischen Gattung beschrieb, begann er seine Arbeit mit dem Satz: „Eine vermutlich ziemlich kleine Spezies (Standardlänge der vier bekannten Spezies 71-101 mm), die sich von Tatia und anderen verwandten Gattungen durch den breiten und abgeflachten vorderen Teil des Körpers unterscheidet.“ Es ist selten, daß gleich der erste Satz einer wissenschaftlichen Erstbeschreibung einen Irrtum beinhaltet. Die vier der Arbeit zugrundeliegenden Exemplare hatte C. Ternetz bereits im Januar und Februar 1924 nahe der Ortschaften Piexa und Porto National im Rio Tocantins in Zentralbrasilien gefangen. Außer diesen vier konservierten Fischen und der Erstbeschreibung war bisher nichts über diese Welse bekannt. So hatte die Fa. Marx Aquaristik in Butzbach / Münster Ende 1999 einige Welse unter diesem Namen vom Tocantins importiert. Es war jedoch zweifelhaft ob es sich bei diesen Fischen tatsächlich um T. depressa handeln konnte denn zwei der vier eingeführten Exemplare maßen über 30 cm Gesamtlänge, eines immerhin noch über 25 cm und das kleinste der Tiere hatte eine Länge von etwa 14 cm. Mein Freund Ingo Seidel, Ganderkesee hatte mir dankenswerter Weise Mees´ Erstbeschreibung besorgt und mich darauf hingewiesen, daß es sich nach Mees eigentlich um eine recht kleinbleibende Art handeln müsse. Ein Vergleich der Daten der Erstbeschreibung mit meinen Fischen ergab jetzt allerdings zweifelsfrei, daß es sich bei den importierten Fischen wirklich um die rätselhaften Tocantinsia depressa handelte. Nun war klar, daß es sich bei T. depressa keineswegs wie Mees vermutete um eine kleinbleibende Art handelt. Offensichtlich lagen Mees bei seiner Beschreibung nur juvenile Exemplare vor. Er betonte seinerzeit, daß er bei allen vier vorliegenden Exemplaren keine Gonaden finden konnte, was er darauf zurückführte, daß entweder alle Exemplare dem selben Geschlecht angehörten oder aber einfach sexuell unreif waren. Die zweite Annahme ist wohl richtig, denn die der Erstbeschreibung zugrundeliegenden Jungfische dieser weit größer als angenommen werdenden Art waren in der Tat wahrscheinlich noch nicht ausgereift.

      T. depressa sind kraftvolle, mächtige Fische, die sich im Aquarium als ausschließlich nachtaktiv erwiesen. Tagsüber drücken sie sich in Höhlen und verharren bewegungslos. Sobald aber das Licht gelöscht wird beginnen die Fische ihre rastlose Wanderung durch das Aquarium. Auf der Suche nach Fressbarem können sie nachts wahre Mengen Nahrung in sich hineinschaufeln. Hierbei sind schlafende Fische ihre Beute. Selbst recht große Exemplare werden überwältigt und verschlungen. Im Aquarium haben sich aufgetaute und vitaminisierte tiefgefrostete Stinte als Futter bestens bewährt. Hiermit ließen sich die Fische nach relativ kurzer Zeit aus der Hand füttern. Die Tiere besitzen einen großen, breiten und abgeflachten Kopf mit einem gewaltigen endständigen Maul, das die ganze Breite des Kopfes einnimmt. Die kräftigen, massiven Kiefer sind mit hunderten kleiner spitzer Zähne dicht besetzt. Ist ein Beutefisch erst einmal gepackt, gibt es für ihn kein Entrinnen mehr. In kurzer Zeit wird er von dem Raubfisch heruntergewürgt. Wegen des riesigen Maules dieser Raubwelse schlage ich den deutschen Gebrauchsnamen „Tocantins-Großmaulwels“ vor. Augen und Barteln dieser beeindruckenden Welse sind verhältnismäßig klein. Die Kopfoberseite und der Nacken bis zum Ansatz der Rückenflosse sind bei T. depressa mit charakteristisch geformten Knochenplatten gepanzert. Der Körper ist gedrungen, walzenförmig und äußerst muskulös. Die Fische besitzen eine kräftige Schwanzflosse mit der sie auch blitzschnell und kraftvoll schwimmen können. Die Körpergrundfarbe ist an der Oberseite ein dunkles Braunschwarz, das auf den Flanken nach unten heller wird. Hierüber sind schemenhaft einige kleine schwarze Tupfen verteilt. Der Bauch der Tiere ist weiß. Die unpaaren Flossen dieser Welse zeigen an der Basis die selbe Grundfarbe wie der Körper mit einem Hauch Gelb darüber. Zu den Rändern werden Flossen dunkler, sie sind fast schwarz gesäumt.

    Die Tocantins-Großmaulwelse sind untereinander nicht aggressiv. Im Gegenteil, sie teilen sich oft zu mehreren Unterstände in denen sie dann dicht gedrängt den Tag verschlafen. Auch anderen Fischen tun sie nichts wenn dies groß genug sind um nicht als Beute betrachte zu werden. Da T. depressa aber nachts ziemlich agil und lebhaft sind, können sie Mitinsassen unter Umständen stark beunruhigen oder in Panik versetzen. Hier ist also Vorsicht geboten. Natürlich brauchen diese großen Fische auch große Aquarien mit viel freiem Schwimmraum und zahlreichen Verstecken. Warmes, sauberes und sauerstoffreiches Wasser sind für die erfolgreiche Pflege dieser skurrilen Raubfische Grundvoraussetzung. Eine starke Strömung ist nicht unbedingt notwendig, fördert nach meinen Erfahrungen jedoch das Wohlbefinden der Tiere ungemein. Fängt man die Großmaulwelse mit dem Kescher muß man sehr aufpassen, denn die Tiere können kräftig und recht schmerzhaft zubeißen.

Literatur:

Mees, G.F. (1974). The Auchenipteridae and Pimelodidae of Suriname (Pisces, Nematognathi). Zool. Verhandel., Leiden, 132: 1-256

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