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Appetenzverhalten und Endhandlung

Steigt beim Hund die innere Bereitschaft für ein Verhalten und fehlen die entsprechenden Auslösereize, so reagiert er darauf mit zunehmender Unruhe.
Man kann das bei der Fütterung sehr gut beobachten. Wenn der gewohnte Futternapf (Auslösereiz) zu entsprechenden Zeit fehlt, beginnt er unruhig zu werden. Er wird zuerst die gewohnte Futterstelle aufsuchen und wenn dort der Futternapf fehlt, unruhig und suchend umherwandern. Dieses Suchverhalten nach einer auslösenden Reizsituation bezeichnet man als Appetenzverhalten. Abgeleitet vom lateinischen appetere = anstreben.
Der Grund des Appetenzverhaltens ist einfach.
Durch gerichtetes oder ungerichtetes Suchen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit die entsprechende auslösende Reizsituation vorzufinden. Ziel des Appetenzverhaltens ist letztlich der Ablauf der Endhandlung. Endhandlungen sind meist einfache Folgen von Einzelbewegungen (Erbkoordinationen) die sehr formkonstant ablaufen. Endhandlungen sind zum Beispiel packen/totschütteln, fressen, trinken, markieren, koten, usw.... Die Bewegungsfolgen der Endhandlung sind angeborene Reaktionsketten (Instinkthandlungen).
Im Gegensatz dazu ist das Appetenzverhalten unwahrscheinlich plastisch. Nicht nur daß es sehr hartnäckig und zielstrebig ist, es beinhaltet in seinem Handlungsrepertoire alle nur denkbaren Tätigkeiten. Erfahrungsbedingtes Verhalten (wo der Futternapf steht, in welcher Blende der Helfer ist) kommt genauso vor wie einsichtiges Verhalten (meistern von Umwegen um an das Ziel zu kommen). Suchen mit hoher oder tiefer Nase (z.B. beim Fährten), alle nur denkbaren Geschwindigkeiten bei der Bewegung, um nur einiges zu nennen. Alles auf das Ziel ausgerichtet so schnell als möglich eine endhandlungsauslösende Situation anzutreffen.
In vielen Fällen laufen daher instinktive Verhaltensweisen in drei verschiedenen Phasen ab:

1. Phase: Ein Ansteigen der Handlungsbereitschaft ohne auslösender Reizsituation führt zu Unruhe und ungerichtetem Suchen.
2. Phase: Die zielgerichtete Annäherung an die auslösende Reizquelle.
3. Phase: Die Endhandlung.

An Hand eines Beispieles bei der Ausbildung des Hundes ersieht man wie wichtig es ist über Bildung und Ablauf von Verhaltensweisen Bescheid zu wissen.
Vereinfachte Darstellung der Grundvorbereitung zum Fährten:
Dem Hund wird die Nahrung vorenthalten bis der innere Antrieb (Hunger) soweit ansteigt, daß die erste Phase des Appetenzverhaltens (Unruhe) erkennbar ist. Zwischenzeitlich hat man bereits an ein, zwei markierten Stellen Futterbrocken ausgelegt und davon unabhängig eine Futterschleppfährte mit größerem futterduftmarkierten Abgang vorbereitet. Selbstverständlich unter sinngemäßer Anwendung des Prinzips der doppelten Quantifizierung. Man führt den Hund vorerst in die Nähe der ausgelegten Futterbrocken und wartet bis sich das Appetenzverhalten der 1. Phase (Unruhe, Nase zum Boden) wieder zeigt. Nun lenkt man den Hund in die direkte Nähe des ersten Futterbrockens. Wenn man das geschickt macht (Windrichtung beachten) wird man sofort erkennen können, daß der Hund sobald er das Futter wittert eine gesteigerte Aktivität entwickelt und in die zweite Phase des Appetenzverhaltens - zielgerichtete Annäherung - kommt.
Hat er die auslösende Reizsituation (Futter) erreicht, beginnt die Endhandlung. Nach dem ersten kleinen Teilerfolg der gesamten Instinkthandlung - der Futterbrocken wurde sehr gering dimensioniert um den inneren Antrieb nicht zu stark abzusenken (siehe Rückwirkung) - kann man sofort ein gesteigertes Appetenzverhalten feststellen. Ein Erfolg des Appentenzverhaltens war ja nun schon einmal gegeben.
Wieder leitet man ihn nun zum zweiten Futterbrocken. Der Ablauf wird dem ersten gleichen. Nur wird man bereits eine Intensitätssteigerung (größerer "Eifer", schneller) bemerken.
Zum Schluß das gleiche Spiel von vorne. Das ungerichtete Suchen "leitet" den Hund zum duftmarkierten Abgangspunkt (1. Phase). Nachdem er dort keinen Futterbrocken vorfindet, sich aber auf Grund des nun bekannten Duftes, der Reizselektivität, der triebbefriedigenden Endhandlung nahe wähnt, steigert sich die Intensität des Appentenzverhaltens spontan. Schnell wird der Hund die Schleppfährte finden und als 2. Phase des Appetenzverhaltens - zielgerichtete Annäherung = fährten - die Spur bis zur nun wesentlich größeren Futtermenge abarbeiten. Dann die 3. Phase - Fressen als Endhandlung.
Ohne viel Aufwand hat man nur durch Ausnützen von angeborenen Verhaltensweisen:

bulletHunger als Antrieb = innere Bereitschaft,
bulletAppetenzverhalten als angeborene Verhaltensweise zur Erhöhung der Erfolgswahrscheinlichkeit,
bulletund Fressen als Erbkoordination = Endhandlung,

die Grundsteine für Fährtenausbildung gelegt. Auch in weiteren großen Bereichen lassen sich die angeborenen Elemente und Abläufe des Appetenzverhaltens zur Ausbildung nützen.
Instinkthandlungen müssen nicht immer aus allen drei Phasen bestehen. Ist dem Hund die auslösende Reizsituation örtlich bekannt, fällt klarerweise das ungerichtete Suchen aus. Kennt der Hund zum Beispiel den Aufenthaltsort des Helfers im Versteck - egal ob aus Erfahrung oder Zufall - wird er sofort mit der zielgerichteten Annäherung (also direkt) reagieren. Also muß der Hund das Revieren = zielgerichtete Annäherung im Ausbildungssinn, erfahrungsbedingt erwerben. Wie bereits vorher erwähnt muß man mit ins Kalkül ziehen, daß die ansteigende Stärke des inneren Antriebs auch die Reaktionsbereitschaft zur direkten Annäherung wesentlich erhöht.
Auch kennt man Beispiele, daß Teile des Appetenzverhaltens ihre eigene Motivation besitzen und wiederholt auslösbar sind. Obwohl die Endhandlung ausbleibt ist das Verhalten denoch wiederholt auslösbar.
Zum Beispiel die zielgerichtete Annäherung beim Stellen, Revieren oder Voraussenden.
Oder es fehlt die Endhandlung gänzlich. Ein satter Hund kann ohne weiteres eine Beute jagen, töten - aber nicht fressen!
Auf die Fluchtreaktion des Hundes trifft dies ebenfalls zu.
Flüchten ist eine angeborene Reaktion ohne direkter Endhandlung.
Das ungerichtete Suchen kann man mit wahlloser Fluchtrichtung gleichsetzen. Teil zwei, Aufsuchen eines sicheren Ortes mit dem gerichteten Appetenzverhalten.

Rückkoppelung der Endhandlung auf die Bereitschaft

Mit der Durchführung der angeborenen Endhandlung sinkt normalerweise die Bereitschaft das gleiche Verhalten nochmals auszuführen. Oder anders gesehen: Es erhöht sich die Reizschwelle für dieses Verhalten. Rückmeldemechanismen der Antriebsbefriedigung bewirken ein Absinken der Bereitschaft und damit verbunden ein Ansteigen der zu überwindenden Reizschwelle.
Einfach gesagt: der Grad der Sättigung mindert den inneren Antrieb (Hunger). Nach dem Deckakt sinkt der Drang nach Sexualverhalten für eine individuelle Zeitspanne stark ab, usw.....
Aber nicht nur die Endhandlung kann die innere Bereitschaft absinken lassen. Vielfach genügt bereits die Durchführung des Verhaltensablaufs als schwächender Faktor auf die Handlungsbereitschaft. Eine Erscheinung die als aktionsspezifische Ermüdung bezeichnet wird. Wobei "aktionsspezifisch" schon darauf hinweist, daß es zwischen verschiedenen Verhaltensweisen Unterschiede gibt.
Fluchtreaktionen unterliegen sehr geringer aktionsspezifischer Ermüdung. Fluchtreaktionen sind wiederholt ohne Senkung der Bereitschaft auslösbar. Während bei wiederholenden Deckbewegungen - ohne das es zur Paarung kommt - sehr bald ein Sinken der Paarungsbereitschaft feststellbar ist.
Bei der Ausbildung von Hunden ist man laufend mit diesen Tatsachen konfrontiert. Am Beispiel, Lernen für Futter, läßt sich das gut dokumentieren.
Ein hungriger Hund hat eine hohe Bereitschaft (niedere Reizschwelle) zum Fressen. Die Möglichkeiten seines Appetenzverhaltens werden im Ausbildungssinn genützt und er erhält zur Endhandlung Futter (gleichzeitig Lernverstärker). Seine Handlungsbereitschaft sinkt nun nicht adäquat mit der verabreichten Futtermenge (Schwellenwertänderung), sondern wesentlich schneller als es eigentlich auf Grund der Futtermenge der Fall sein sollte.
Das wiederholte Ablaufen der erwünschten Form des Appetenzverhaltens wirkte unabhängig vom Grad der Antriebsbefriedigung antriebsverzehrend auf die Stärke der Bereitschaft. Bei dieser Form der Ausbildung ist es also unerläßlich, das Prinzip der doppelten Quantifizierung mit einzubauen und die sinkende Bereitschaft durch Reizwertigkeit auszugleichen. Zusammenfassend die prinzipielle Vorgangsweise:

bulletAusgangshunger groß halten = Hohe Bereitschaft = hohe Motivation
bulletKleine Futtergaben verabreichen = langsame Endbefriedigung
bulletAnfangs Futter mit geringen Reizwert geben = geringer Reiz
bulletKontinuierlich besseres Futter geben = Erhöhen des Reizwertes.

Durch eine solche Vorgangsweise erreichen wir über einen längeren Zeitraum hinweg - trotz wiederholtem Auslösen des gleichen Verhaltens - eine durchschnittlich mittlere Reaktionsstärke. Unabhängig davon muß man voraussetzen, daß nur mit gesunden, konditionsstarken Hunden gearbeitet wird um die physische Ermüdung, als weiteren begleitenden Faktor, gering zu halten.

Antriebssteigerung durch Reize

Reizsituationen können nicht nur auslösend wirken, sondern auch eine Bereitschaftserhöhung hervorrufen. Der nur wahrgenommene Geruch eines bekannt guten Futters bewirkt häufig eine steigernde Handlungsbereitschaft im gesamten Verhaltensbereich für Nahrungserwerb.Auch der Duft einer läufigen Hundin erhöht sofort die Bereitschaft für gesteigertes Territoriumsverhalten.
In diesem Bereich - Antriebssteigerung durch Reize - sind sicher auch Vorfälle mit traumatischer Wirkung einzuordnen. Dazu folgendes Beispiel:
Wird durch einen Reiz Fluchtverhalten ausgelöst, dieses Verhalten aber blockiert (z.B. angebundener Hund) so kommt es zu einer verhängnisvollen Rückkoppelung auf die innere Bereitschaft. Da er sich der Reizsituation nicht entziehen kann steigert sich der Fluchtantrieb und somit die Stärke des (eingeschränkten) Fluchtverhaltens. In diesem Teufelskreis kann es ohne weiteres vorkommen, daß sich Hunde durch ihr extrem gesteigertes Verhalten selbst Schmerzen zufügen ohne deswegen ihr selbstzerstörerisches Verhalten einzustellen.
Dieses Phänomen läßt den Schluß zu, daß bei Hunden die sich durch ein Verhalten aus großer Angst selbst verletzen, dieses Verhalten zugleich entlastend wirken muß und dies wiederum die Schmerzreize überwiegt. Nach einem solchen Vorfall wird der Hund in gleichen oder ähnlich gelagerten Reizsituationen, spontan mit starken Angst- und Fluchtreaktionen reagieren und danach länger eine erhöhte Bereitschaft für diese Verhaltensweisen erhalten. Eine so entstandene Verhaltensweise ist fast irreversibel.

Ordnung des Verhaltens

Damit Verhaltensweisen sinnhaft eingesetzt werden können, bedürfen sie einer organisierten Ordnung. Man kennt zwei miteinander wirkende Ordnungskreise. Ein Kreis steuert das zeitliche Nacheinander und das zeitliche Nebeneinader. Der zweite Ordnungskreis ist die Instinkthierarchie, die über- und untergeordnete Instinkte unterscheidet.
Wird also ein übergeordneter Trieb aktiviert, steigt gleichzeitig auch die Bereitschaft für Verhaltensweisen die damit verbunden sind. Es hängen Gruppen von Verhaltensweisen in einem koordinierenden System zusammen und beeinflussen sich dadurch in bestimmter Weise gegenseitig. Ein paarungsmotivierter Hund hat nicht nur erhöhte Paarungsbereitschaft sondern auch eine gesenkte Reizschwelle für aggressives Verhalten. Er ist also auch gesteigert kampfgestimmt und reagiert auf entsprechende Auslösereize leichter. Sein Revierverhalten ist gleichfalls verstärkt.
Gleichzeitig wirkt die Motivation auf andere Gruppen von Verhaltensweisen hemmend.
Die Verhaltensweise des Nahrungserwerbs steht, viele Rüdenbesitzer können ein Lied davon singen, deutlich unter Hemmung.
Durch die zusammenhängenden Erscheinungen lassen sich durchaus Schlüsse auf Instinkte verschiedener hierarchischer Ordnungsstufen ableiten und zusammenhängende oder hemmende Beziehungen erkennen.

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