Grundkurs bi-3
VERHALTEN
GRUNDLAGEN DER VERHALTENSFORSCHUNG. MENSCHLICHES UND TIERISCHES VERHALTEN. NATURBEDINGTE UND KULTURABHÄNGIGE VERHALTENSWEISEN UND DEREN BEDEUTUNG FÜR INDIVIDUUM, GEMEINSCHAFT UND GESELLSCHAFT.
Kursziele;
Der Kurs zielt darauf ab, dem Schüler
- wichtige biologische Fragestellungen, Denkansätze und Methoden aufzuzeigen, die der Analyse tierischen und menschlichen Verhaltens dienen,
- Kenntnisse über Verhaltensabläufe und deren biologische Funktion zu vermitteln,
- Einsichten in funktionelle Zusammenhänge tierischen und menschlichen Sozialverhaltens zu ermöglichen. Es soll ein Beitrag zu einem rationalen und kritischen Verständnis des menschlichen Verhaltens in Gruppen und im gesellschaftlichen Bereich geleistet werden.
Thematische Schwerpunkte (Groblernziele) und Inhalte:
1. Überblick über hierarchische Strukturen tierischen und menschlichen Verhaltens.
Überblick über spontane und reaktive Verhaltensweisen, primäre und sekundäre Verhaltensmotivation.
Inhalte:
- Reflexe und zentralnervöse Automatismen als Glieder komplexer Verhaltensweisen.
- Orientierung als Element des Instinkt- und Lernverhaltens.
Instinktverhalten (stimmende und auslösende Faktoren,
A A M , Appetenzverhalten)
Lernverhalten
Lernen von Signalen: Klassische Konditionierung. Lernen erfolgreicher Verhaltensweisen: Operante Konditionierung, Konditionierung auf Invarianten ("Transfer"), primär neukombiniertes Verhalten ("Einsichtiges Lernen").
2. Einblick in physiologische Grundvorgänge des Verhaltens.
Inhalte:
- Nervenphysiologische Bedingungen des Verhaltens, z. B. Reizaufnahme, Erregungsleitung, zentrale Verarbeitung, Reizbeantwortung; Funktion der verschiedenen Hirnsphären; zentralnervöse Organisation des Lernens (Ultrakurzzeit-, Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis).
- Hormonphysiologische Bedingungen des Verhaltens, z. B. hormonale Steuerung bei Stress, Einfluss der Sexualhormone auf das Verhalten.
- Überblick über funktionelle Zusammenhänge wichtiger Verhaltensweisen mit sozialer Wirksamkeit. Einblick in biologisch und psychologisch orientierte Verhaltenstheorien.
Inhalte:
- Lernverhalten
Der Erwerb individueller Erfahrung für Zusammenhalt und Überleben von Sozietäten.
- Sexualverhalten
Die Bedeutung des Sexualverhaltens für Fortpflanzung und soziale Beziehungen.
- Aggressionsverhalten
Die biologische Bedeutung des Kampfverhaltens für das Zusammenleben und Überleben der Individuen.
- Territorialverhalten
Der Ablauf sozialer Verhaltensweisen in Abhängigkeit von Größe und Struktur des Territoriums.
Didaktische Hinweise:
Der Schwerpunkt des Kurses VERHALTEN liegt nicht in einer eingehenden Analyse komplexer menschlicher Verhaltensmechanismen unter Zugrundelegung psychologischer Theorien. Vielmehr kommt es darauf an, grundlegende biologische Funktionen menschlichen Verhaltens aufzuzeigen. Voraussetzung dafür ist die Erarbeitung von Grundlagen der Verhaltensforschung am Tier oder direkt am Menschen.
Für den Kursunterricht ist erschwerend, dass die wissenschaftliche Forschung keine umfassende Verhaltenstheorie vorlegt. Die Komplexität des Forschungsgegenstandes und die Vielfalt der Betrachtungsweisen haben ihren Niederschlag in unterschiedlichen Verhaltenstheorien gefunden. Über Massenmedien werden die z. T. kontroversen Forschungsergebnisse verbreitet und nehmen so Einfluss auf Selbstverständnis und Zusammenleben der Menschen. Ein wesentlicher Beitrag für ein rationales und kritisches Verständnis menschlichen Verhaltens ist daher die Einsicht, dass Forschungsergebnisse nicht unmittelbar auf die eigene, vielfach determinierte Lebenssituation übertragbar sind. Die Möglichkeit einer Übertragung ergibt sich aus einer kritischen Betrachtung der Fragestellungen, Theoriebezüge, Forschungsmethoden und Forschungsobjekte, die den wissenschaftlichen Ergebnissen zugrunde liegen. Für den Unterricht ist in diesem Zusammenhang die Kenntnis wichtiger wissenschaftlicher Untersuchungsverfahren von besonderer Bedeutung, z. B. Erstellung von Ethogrammen; Attrappenversuche; Kaspar-Hauser-Versuche; Dressurverfahren mit Skinner-Box, Labyrinth- und Mehrfachwahlgeräten; hormonphysiologische und neurophysiologische Manipulationen. Verfahren der Psychologie, Soziologie und Kulturanthropologie sind in knapper Form zu behandeln, wenn entsprechende Forschungsergebnisse in den Unterricht eingebracht werden.
Für eine übersichtliche Darstellung funktioneller Zusammenhänge bieten sich vereinfachte kybernetische Modelle an:
Blockschaltbilder, Flussdiagramme, Blackboxdarstellung (messbare Input- und Outputvariablen, intervenierende Variablen, hypothetische Konstrukte). Kybernetische Modelle sind auch dort einsetzbar,, wo wissenschaftlich noch nicht erwiesen ist, ob es sich um Verhaltenshomologien oder -analogien, ererbte oder erworbene Verhaltensweisen handelt.
Anlage des Grundkurses bi-3
Um auch im Grundkurs bi-3 empirische Untersuchungen (s. Didaktische Hinweise), Demonstrationsversuche und Literaturstudien in Fachzeitschriften zu ermöglichen, muss der Stoffumfang eingeschränkt werden. Es bietet sich an, den Kurs in Absprache mit den Schülern auf bestimmte Inhalte des 3. thematischen Schwerpunktes auszurichten. Die Inhalte des 1. und 2. thematischen Schwerpunktes sind dann so auszuwählen, dass nur die zum unmittelbaren Verständnis erforderlichen Grundlagen vermittelt werden.
Da neben der Biologie vor allem die Psychologie, Soziologie und Kulturanthropologie Beiträge zum Verständnis des menschlichen Verhaltens liefern, soll im Kurs zumindest ein derartiger Theorieansatz in knapper Form dargestellt werden. Dem Lernenden werden dadurch weitere Orientierungsmöglichkeiten und Entscheidungshilfen eröffnet.
Mit Ausrichtung des Kurses auf bestimmte Inhalte des 3. thematischen Schwerpunktes besteht die Möglichkeit, den Kurs humanbiologisch anzulegen und entsprechend zu problematisieren.
Themenvorschläge für eine starke humanbiologische Ausrichtung des 3. thematischen Schwerpunktes:
Die Bedeutung des Lernverhaltens für die Kulturentwicklung des Menschen; Lernen als Zukunftschance
- Die Bedeutung der Erbinformation und der individuellen Erfahrung für den Zusammenhalt der Gruppe und das Überleben der Art
- Ultrakurzzeit-, Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis
- Alternative Theorien der Lernforschung; z. B. Pawlow, Watson, Thorndike, Skinner, Hilgard, Wiener, Tolman, Köhler, Freud, Bandura und Walters, Correls Synthese der Lerntheorien.
Anwendungsbereiche: Verhaltenstherapie, Drogenentzug, Reklame, Propaganda, Kindererziehung, Bewältigung der Lernanforderung in der Schule (Lerntechniken, Bedeutung der Motivation für den Lernprozess, Lernen als gruppendynamisches Phänomen, programmiertes Lernen, Lernhemmung durch Stress u. a.)
- Primäre und sekundäre Stabilisierung menschlicher Verhaltensweisen; Ritualisierung, Tradition, Normierung innerhalb der Sozialstruktur (Rollenfixierung, soziale Rangfolge in der Gesellschaft, Rangdominanz in Gruppen)
- Der Intelligenzbegriff und die Problematik der Intelligenzmessung; biologische Bedeutung von Denken und Sprache
- Menschliche Kreativität in Wissenschaft, Technik, Kunst
Die Bedeutung des Sexual Verhaltens für Fortpflanzung, Paarbindung, Gesundheit und Zusammenhalt der Gruppe
- Monogamie, Polygamie, Promiskuität
- Die Sexualentwicklung des Kindes in Abhängigkeit vom Kulturraum
- Sexuelle Verhaltensmuster; ritualisiertes Sexualverhalten, Fixierung der Geschlechtsrollen
- Aggressiv motivierte sexuelle Verhaltensweisen z.B. Imponiergehabe durch Genitalienpräsentation (Schutz- und Fruchtbarkeitsdämonen), Exhibitionismus, Fetischismus
- Stressreduzierende Wirkungen der Sexualität
- Tiefenpsychologisches Modell des Menschen
Die biologische Bedeutung des Kampf Verhaltens; die Bedrohung der menschlichen Existenz durch Aggression
- Aggressionstheorien: Aggressions-Frustrationshypothese, Modell des Aggressionsinstinktes (Aggression als spontanes und reaktives Verhalten), Lerntheorien der Aggression, tiefenpsychologisches Modell
- Aggression und Territorialität; Aggression zwischen Gruppen und Völkern
- Aggression in Gruppen; Aggression gegen Außenseiter, Aggression und Rangordnung, psychische Belastung durch unterdrückte Aggressionshandlungen
- Rangstreben als Antrieb der Kulturevolution
- Störungen in den Beziehungen zwischen angeborenem Sexualtrieb und kulturell gesetzten Ablaufskontrollen, z.B. Instinktreduktion als sekundärer Abbau angeborener Kontrollmechanismen, Sadismus, Masochismus
Die Ausbildung sozialer Verhaltensweisen in Abhängigkeit von Größe und Struktur des Territoriums
- Aufbau und räumliche Gliederung des Lebensraumes zur Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse (Bewegungsdrang, Ruhe, Entspannung, Nahrungsaufnahme, Sexualität, Kommunikation, Komfortverhalten); verhaltensbiologische Beiträge zur Planung von Wohnräumen, öffentlichen Gebäuden und Städten
Verhaltensbiologie des Kindes
Die funktionelle Verknüpfung von Wahrnehmen, Orientieren, Handeln, Denken als Voraussetzung für die Kulturentwicklung des Menschen
Das Phänomen Stress; biologischer Ursprung und Gefahren der Entartung in der modernen Gesellschaft