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Zu Haltung und Verhalten des Landeinsiedlerkrebses (Coenobita rugosus)
Text, Zeichnungen und Fotos Jan Robel
Gerade von einer Thailandreise zurückgekehrt, überreichte mir mein Freund Helmut Stallknecht geheimnisvoll lächelnd eine Plastikflasche in der sich ein langgezogenes, etwa fünf Zentimeter großes Schneckengehäuse befand. Dazu hörte ich den Spruch, dass das doch mal etwas Spannendes für einen Biologielehrer sei. Nun interessiere ich mich nicht sonderlich für Schnecken, schon gar nicht für marine Arten, weshalb ich auch die konkrete Spezies, deren Gehäuse ich da vor mir hatte, nicht benennen kann. Verwundert war ich nur darüber, dass mein Freund das Teil in einer Flasche transportiert hat. Etwas umständlich, fand ich. Plötzlich bewegte sich das Gehäuse und unmittelbar darauf sah ich ein Paar Scheren, ein Fühler- und ein Augenpaar und gleich darauf sechs Beine – ein Einsiedlerkrebs (Zeichnung).
Das war nun wirklich eine Überraschung. Sofort setzten aber auch Bedenken ein. Wie hält man so ein Tier? Muss ich jetzt ein Seewasserbecken einrichten? Was frisst ein Einsiedler eigentlich? Erste Hinweise lieferte der Fundort, den Stallknecht folgendermaßen beschreibt:
„Nördlich von Phuket entlang der Straße 4 in Richtung Takua Pa, etwa 30 km vor dieser Stadt befindet sich ein Naturschutzgebiet, Khao Lak, wenige km weiter in nördliche Richtung erreicht ein kleines, namenloses Flüsschen die Küste. Bevor es in die Andamanensee mündet, bildet es in einer nur schmalen Küstenebene eine begrenzte Lagune. Um diese herum wurde eine Hotelanlage mit Pfahlbauten errichtet, die teilweise bis ans Meer reichen.
Um die Lagunenanlage von den wechselnden Wasserständen durch Ebbe und Flut unabhängig zu machen, wurde eine kleine Staustufe eingebaut. Dadurch enthält die Lagune fast nur noch Süßwasser, denn nur selten, bei Sturmflut, steigt das Meerwasser so hoch, dass es zur Vermischung mit dem Süßwasser der Lagune kommt.
So pendeln die Einsiedlerkrebse zwischen dem Meeres- und dem Lagunenufer und halten sich sowohl im sehr weichen Süßwasser (GH 3, KH 2) als auch im Meerwasser auf und queren dabei nachts den Landteil. Bei einem solchen Landgang wurde das Tier im Dunklen entdeckt und gefangen.“
Zunächst richtete ich ein kleines Aquarium (50x30x30, L/B/H) mit Wasser und Landteil ein, wozu ein drei Zentimeter breiter Glasstreifen hochkant und diagonal über eine Ecke auf den Boden geklebt wurde, um das Wasser aufzunehmen. Der Landteil wurde mit feinem Sand aufgefüllt. Ein paar Tradescantien und verschieden große Schneckengehäuse sowie ein kleiner Blumentopf als Höhle ergänzten die Einrichtung. Um die Luft gespannt zu halten wurde das „Feuchtterrarium“ mit einer Glasplatte komplett abgedeckt. Gerade letzteres stellte sich bereits einen Tag später als großer Glücksfall heraus, doch dazu später.
Landeinsiedlerkrebse sind geradezu ein Musterbeispiel für die Erklärung von Anpassungserscheinungen beim Übergang vom Wasser- zum Landleben, einem der gravierendsten Entwicklungssprünge, den die lebende Natur vollzogen hat. Der überwiegende Teil der Decapoda, also der Zehnfußkrebse, zu denen man Garnelen, die eigentlichen Krebse und die Krabben zählt, leben im Wasser. Einige Formen nun haben anatomische und physiologische Veränderungen erfahren, die es ihnen gestatten zumindest zeitweise an Land zu leben, oder wie bei den Asseln sich völlig vom Wasser zu lösen. Die meisten der landlebenden Arten sind aber zumindest während der Fortpflanzungsphase gezwungen wieder in Gewässer zurückzukehren oder die schlüpfenden Larven dort zu entlassen.
Landeinsiedlerkrebse der Gattung Coenobita haben die Probleme des Übergangs in geradezu genialer Weise gelöst. Anders als ihre im Meer lebenden Verwandten atmen sie nicht über Kiemen, sondern durch die stark gerunzelte Haut des Hinterleibs, in der ein reich verzweigtes Blutlakunensystem verläuft, das für einen direkten Gasaustausch sorgt. Allerdings gestattet ihnen diese Anpassung nur wenige Stunden Aufenthalt im Wasser, dann „ertrinken“ sie. Ein größeres Problem als die Atmung stellt für Landeinsiedler trockene Luft dar. Ihr Kalk-Chitin-Panzer schützt nicht vor Austrocknung, weshalb sie auf hohe Luftfeuchtigkeit angewiesen sind. Deshalb kommen sie fast ausschließlich entlang der Küstengebiete der Subtropen und Tropen vor. Ihre Hauptaktivitätszeit liegt in den Abend- und Nachtstunden. Den Tag über verstecken sie sich in selbstgegrabenen Höhlen im feuchten Sand oder Erdreich.
Die erstaunlichste Eigenart der Einsiedlerkrebse ist aber zweifellos die „Angewohnheit“ ihren weichen ungepanzerten Hinterleib in leeren Schneckenhäusern zu verbergen und sich in Gefahrensituationen ganz darin zurückzuziehen. Auch dafür haben sie einzigartige Anpassungen entwickelt. Ihr Hinterleib ist so gekrümmt, dass er den Windungen eines Schneckengehäuses folgen kann. Natürlich muss dabei die Windung des Gehäuses der des Krebses folgen. Der in der Zeichnung dargestellte Krebs kann also nur rechtsdrehende „Häuser“ bewohnen. Das fünfte Beinpaar ist stark reduziert und dient der Verankerung des Tieres in seinem Gehäuse. Beim Zurückziehen werden dann die beiden unterschiedlich großen Scheren vor die Öffnung gelegt und bilden gleichsam einen „Deckel“, der sie fest verschließt (Zeichnung). Beide, Scheren und fünftes Beinpaar machen es nahezu unmöglich einen Einsiedler unbeschädigt von seinem Gehäuse zu trennen. Dennoch müssen die Tiere von Zeit zu Zeit ihre Unterkunft verlassen. Wie bei allen Krebsen wächst der Panzer nicht mit. Sie sind also gezwungen sich zu „häuten“. In den meisten Fällen ist danach das alte Haus zu klein und ein neues muss gesucht werden. Zu diesem Zweck habe ich meinem Pflegling eine „Auswahl“ von Apfelschneckengehäusen (Ampullaria australis) angeboten. Leider muss ich in diesem Zusammenhang auch Angaben aus der Literatur bestätigen, wonach Einsiedlerkrebse auch erbittert um Gehäuse kämpfen. Ein Jahr nachdem ich den ersten Vertreter der Gattung erhalten hatte, brachte ich weitere Tiere von einem Urlaub auf Sri Lanka mit. Alle fielen „Gehäusekämpfen“ oder Revierstreitigkeiten zum Opfer. Will man also mehrere Einsiedler zusammen halten, sollte das Terrarium zum einen großzügig bemessen und gut strukturiert sein und zum anderen immer eine ausreichende Zahl unterschiedlich großer Gehäuse zur Verfügung stehen.
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