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Reusenmäuler – geheimnisvolle Buntbarsche der Gattung Acaronia Myers, 1940

 Text und Bilder Kai Arendt

Die Dämmerung ist angebrochen. Ein Schwarm kleiner Salmler steht im Strömungsschatten am Ufer eines kleinen südamerikanischen Klarwasserbaches um dort im Schutz des Wurzelgewirrs der am Ufer stehenden Büsche und Bäume die Nacht zu verbringen. Eine eigenartige Unruhe befällt jetzt alle Bewohner dieses Baches, denn es beginnt die Zeit der Räuber, die jetzt aktiv werden um im Zwielicht reiche Beute zu machen. Im freien Wasser patroullieren Trupps von Barrkudasalmlern der Gattung Acestrorhynchus, an der Wasseroberfläche stehen auf Beute wartende Hechtsalmler der Gattung Boulengerella und am Grund lauern bewegungslos und gut getarnt die urtümlichen Tigersalmler der Gattung Hoplias. In den tieferen Zonen erwachen die großen, immer hungrigen Welse, während die verkrauteten Zonen von Messerfischen der Gattung Gymnotus nach Beute durchsucht werden. Sichere Plätze für die Nacht sind in dem kleinen Bach also rar und die wehrlosen Kleinfische drängen sich eng aneinander. Unser Salmlerschwarm schießt unruhig noch einige Male hin und her um dann beim rasch schwächer werdenden Licht am Fuße der Wurzeln zu verharren und zu schlafen. Im fahlen Schein des Mondlichtes ahnen die Fischchen nicht, daß sie bereits seit einiger Zeit aus der Dunkelheit des unterspülten Ufers fixiert werden. Plötzlich löst sich aus der Dunkelheit ein schwarzer Schatten. Er verharrt kurz, einer der kleinen Salmler wird blitzschnell in ein gewaltiges Maul eingesogen und so schnell wie der Schatten auftauchte, verschwindet er wieder im Dunkel der Uferhöhlen. Die Panik im Salmlerschwarm ist nur kurz, denn die Tiere sind schlaftrunken und orientierungslos. Im Verlauf der mondhellen Nacht wird der Schatten noch einige Male zuschlagen und den Schwarm dezimieren...es ist ein Buntbarsch, ein Reusenmaul der Gattung Acaronia Myers, 1940.

Adultes Männchen von Acaronia nassa Männchen von A. vultuosa

    Obwohl südamerikanische Buntbarsche derzeit „en vogue“ sind, existieren nur ganz wenige Veröffentlichungen über das Verhalten der Reusenmäuler im Aquarium. In diesen werden diese allgemein als dunkle, wenig farbenprächtige und scheue Gesellen beschrieben, die obendrein schwierig zu halten sind und auch in der Nachzucht Probleme bereiten. Diese Berichte haben sicher nicht dazu beigetragen, das Interesse der Aquarianer an diesen Buntbarschen zu wecken. Wer möchte denn schon graue Fische in seinem Aquarium pflegen, die noch dazu schwer zu halten sind. Nun, sicher zeigen Reusenmäuler selbst bei optimalen Haltungsbedingungen keine plakativen Farben. Dennoch sind diese Fische bei richtiger Pflege mit ihrer kontrastreichen, an ein Feuerwerk erinnernden Zeichnung, wunderschöne Pfleglinge die obendrein ein hochinteressantes Verhalten zeigen. Es ist allerdings richtig, daß diese Dämmerungsjäger sich im Aquarium als recht scheu erweisen. Sie mögen im Aquarium keine Hektik. Auch auf Störungen außerhalb reagieren diese Tiere und ziehen sich sich in ihre Unterstände zurück, gehen nur zögerlich oder gar nicht an das angebotene Futter. So gepflegte Reusenmäuler kümmern zwangsläufig. Ihr zurückhaltendes Wesen ist sicher auch einer jener Gründe, die ihre Nachzucht im Aquarium noch immer zu einem seltenen Erfolg machen.

    Der schwedische Ichthyologe Sven O. Kullander teilte die Buntbarsche im Jahre 1998 nach umfangreichen morphologischen Untersuchungen in mehrere neu aufgestellte Unterfamilien. Besonderer Schwerpunkt waren hierbei die neotropischen Cichliden, deren Systematik nun erstmals einer verlässlichen Diagnostik folgt. Acaronia Myers, 1940 wird demnach innerhalb der Buntbarsche (Familie Cichlidae) der neu aufgestellten Unterfamilie Cichlasomatinae Kullander,1998 zugerechnet. Die Gattung bildet innerhalb dieser den Tribus Acaroniini. Acaronia wird also in der Arbeit von Kullander von den anderen Arten der Cichlasomatinae abgegrenzt.  Zu den Cichlasomatinae zählen neben den Acaroniini der Tribus Cichlasomatini mit den Gattungen Cichlasoma Swainson, 1839, Nannacara REGAN, 1905, Aequidens Eigenmann & Bray, 1894, Bujurquina Kullander, 1986, Laetacara Kullander, 1986 sowie weiteren nahe verwandten Arten der ehemaligen Sammelgattung Aequidens sowie der Tribus Heroini. Hierzu werden unter anderem die Gattungen Heros Heckel, 1840, Caquetaia Fowler, 1944, Symphisodon Heckel, 1840, Pterophyllum Heckel, 1840, Mesonauta Günther, 1862 aber auch sämtliche Arten der mittelamerikanischen „Cichlasoma“ gezählt. In der älteren Literatur vermutete man dagegen eher engere Beziehungen der Reusenmäuler zu den sogenannten „chaetobranchinen“ Buntbarschen, die der heutigen Unterfamilie Astronotinae Kullander, 1998 zuzurechnen sind, zu denen man wissenschaftlich die Gattungen Astronotus Swainson, 1839 (Tribus Astronotini), Chaetobranchus Heckel, 1840 und Chaetobranchopsis Steindachner, 1875 (Tribus Chaetobranchini) zählt.

    Bis zum heutigen Tage sind innerhalb der Gattung Acaronia lediglich zwei Arten beschrieben worden. Es handelt sich also um einen kleinen, entwicklungsgeschichtlich recht isoliert stehenden Verwandtschaftskreis, dessen Abspaltung von den übrigen Gattungen der Cichlasomatinae schon recht früh stattgefunden haben muß. Typusart der Gattung ist Acaronia nassa (Heckel, 1840), die seinerzeit aus dem Rio Guaporé im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso als Acara nassa beschrieben wurde. Später, im Jahre 1875 hatte der Wiener Ichthyologe Franz Steindachner für die Art die Gattung Acaropsis aufgestellt, dabei jedoch übersehen, daß dieser Gattungsname bereits vorher für eine Spinnengattung vergeben worden war. Dies veranlasste den amerikanischen Fischkundler George Sprague Myers im Jahre 1940 die Gattung im Acaronia umzubenennen. Wichtigste morphologische Merkmale der Gattung sind das tiefgespaltene Maul mit den weit vorstreckbaren Kiefern, die großen Schuppen von denen auf jeder Körperseite lediglich 22 oder 23 längs gezählt werden können sowie die besonders stark ausgebildeten, kräftigen Kiemenrechen, die den Fischen zu ihrem deutschen Namen Reusenmäuler verhalfen.

Territoriales Männchen von Acaronia nassa An solchen Stellen halten sich die Reusenmäuler gern auf, Cano el Toro, Rio Guariquito, Estado Guarica, Llanos Venezuelas Männchen von A. vultuosa in Prachtfärbung

    A. nassa hat ein sehr großes Verbreitungsgebiet. Die Art ist entlang des gesamten Amazonaslaufes zu finden und bewohnt alle diesem zufließenden Ströme. Darüber hinaus sind die Fische aber auch in den Guyanaländern und im Einzugsbereich des Tocantins und Araguaia zu finden. In ihrer Heimat bewohnen die Tiere die unterschiedlichsten Lebensräume. Man findet sie in Klar-, Schwarz- aber auch in Weißwasserflüssen, wo sie gern ruhige Gewässerabschnitte, Altarme und Restwassertümpel bewohnen, die Deckung und Unterstände in Hülle und Fülle liefern. Hier halten sie sich oft im Bereich der schwimmenden Wiesen auf die diesen Lauerräubern mit ihrem Wurzelgewirr ausreichend Versteckmöglichkeiten bieten. Versunkene Bäume und andere Holzansammlungen zählen ebenfalls zu den bevorzugten Aufenthaltsorten dieser Buntbarsche. Auch Pflanzendickichte und Ansammlungen von Falllaub geben diesen Fischen die benötigte Deckung.  Genauso liegen diese Räuber aber auch in unterhöhlten Uferböschungen von Bächen und Flüssen auf der Lauer und warten auf sich ahnungslos nähernde Opfer. Die Temperaturen in den Lebensräumen von A. nassa können je nach Standort und Jahreszeit sehr stark schwanken. Werden in der Regenzeit kurzzeitig nur wenig mehr als 20°C gemessen können zum Höhepunkt der Trockenzeit die Temperaturen in den stark besonnten Restwassertümpeln 35°C und mehr erreichen. Auch die chemischen Wasserwerte unterliegen saisonbedingt mehr oder weniger starken Schwankungen, so daß man sagen kann, daß es sich bei den Reusenmäulern um durchaus anpassungsfähige Cichliden handelt.

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